Größter Ermittler-Fehler? Fünf Jahre nach Rebeccas Verschwinden tauchten brisante Polizei-Mails auf (2025)

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Von: Maximilian Kettenbach

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Rebecca Reusch aus Berlin bleibt auch sechs Jahre nach ihrem Verschwinden vermisst. Für Aufsehen sorgten im letzten Jahr allerdings interne Nachrichten eines Polizei-Insiders zu dem Fall.

München – Es ist nun bald sechs Jahre her, dass Rebecca Reusch aus Berlin spurlos verschwunden ist. Sechs Jahre, in denen Polizei und Staatsanwaltschaft im Dunkeln tappen. Die Hoffnung auf die Lösung des Falles schwindet von Jahr zu Jahr. Und doch wurden wir im März 2024 von einem Polizei-Insider, der in einer Inspektion in Deutschland arbeitet, über interne Mails in Kenntnis gesetzt.

Vermisstenfall Rebecca Reusch – Polizist macht Mailverlauf publik, um Kollegen „wachzurütteln“

Es sind Informationen mit durchaus Brisanz. Zum Schutz seiner Identität nannten wir ihn Dirk B. und tun das auch hier wieder. Er äußert gestützt von diesen Mails den Verdacht, möglicherweise entscheidender Vernachlässigungen im Zuge der Ermittlungen. Als „Polizist aus Überzeugung“ gehe er an die Öffentlichkeit, und um die Kollegen „wachzurütteln“, wie er IPPEN.MEDIA damals sagte.

Der Vermisstenfall Rebecca Reusch

Die vermisste Rebecca Reusch aus Berlin war im Februar 2019 – mit damals 15 Jahren – zum letzten Mal lebend gesehen worden. Mittlerweile spricht die Staatsanwaltschaft von der Suche nach einem Leichnam. Noch immer tatverdächtig ist der Schwager der Schülerin, Florian R. Für ihn gilt weiterhin die Unschuldsvermutung.

Hier finden Sie die Chronologie der Ereignisse.

Der zentrale Vorwurf B.‘s: Er könne nicht verstehen, dass die im Fall Rebecca Reusch betrauten Ermittler erst nach Jahren die notwendigen Handy-Daten von Google bekommen konnten. Denn die Ermittler in Berlin wollen die Google-Daten laut Berliner Zeitung erst im Herbst 2020 beantragt, die Ergebnisse dann erst im Frühjahr 2021 erhalten haben – also zwei Jahre nach Rebeccas Verschwinden am 18. Februar 2019. Die folgende Decodierung durch die Sozialabteilung der Kriminaltechnik dauerte dann noch einmal bis ins Jahr 2023.

Kurzum: Die Ermittler fragten erst 1,5 Jahren nach Rebeccas Verschwinden bei Google an. Und der Internetkonzern benötigte weitere sechs Monate, um diese Daten zu liefern. „Das sind alles erschreckende Zeiträume. Ich frage mich, was die Kollegen da gemacht haben. Gerade in einem solchen Fall, wo ein Mädchen das Haus nicht lebend verlassen hat. Solche Daten müssten schnellst möglichst gesichtet werden. Das ist sehr irritierend“, meint Dirk B., der selbst in besonders schwerwiegenden Kriminalfällen aktiv ist.

„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie die Daten wirklich direkt nach dem Verschwinden angefordert haben”, sagte B. Google sei da viel schneller, „bei einem solchen Delikt brauchen sie maximal zwei bis vier Wochen“. So kenne er das. In dringenden Fällen bekäme man durch den Emergency Call praktisch nach Stunden die Daten. Für ihn sollten die technischen Abfragen bei Ermittlungen mittlerweile zum Standard gehören, allerdings gebe es noch immer viele „Ermittler der alten Schule“.

Google-Daten im Fall Rebecca: Haben die Ermittler erst auf B.s Intervention hin gehandelt?

Besonders pikant: Der uns vorliegende E-Mail-Verlauf aus dem Jahr 2021 zeigt, dass B.‘s Bedenken bei den Berliner Ermittlern landeten. Man habe längst alles in die Wege geleitet und ausgeschöpft, die Daten von Google seien jedoch noch nicht eingetroffen, hieß es dort – doch dann folgte kurze Zeit später tatsächlich die Wende.

„Genau einen Monat später steht öffentlich in der Presse, dass sie die Daten haben“, wundert sich B. Der zeitliche Zusammenhang lässt seine Zweifel wachsen. Haben die Ermittler in Berlin vielleicht erst durch seinen Anstoß bei Google nach den so wichtigen Standort-Daten und der Entschlüsselung des Google-Kontos gefragt?

„Erschreckende Zeiträume“ in Vermisstenfall Rebecca geben Rätsel auf

Tatsächlich sorgten die abgerufenen Daten dann für enormes Aufsehen rund um den von der Staatsanwaltschaft einzigen Verdächtigen in diesem Fall: Schwager Florian soll am Morgen des Verschwindens nach Strangulationspraktiken gegoogelt haben. Eine Hausdurchsuchung folgte im April 2023.

Der ehemalige Mordermittler und Fallanalytiker Axel Petermann reagierte auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA Anfang 2024 verständnislos: „Die Ergebnisse über die Suchverläufe des Schwagers im Internet kamen erst vier Jahre später, und das bei solch relevanten Ermittlungen. Und dann kommt heraus, dass sich der Schwager für Atemkontrolle beim Sex interessiert hat.“ Dies seien enorm wichtige Erkenntnisse, die Hinweis auf sexuelle Präferenzen des Schwagers geben könnten und gleichzeitig die Frage aufwerfen, „ob er versuchte, mit Rebecca intim zu werden und auch seine Sexualfantasien zu realisieren. Vier Jahre später dürften Spuren, die diesen Verdacht bestätigen könnten, leider nicht mehr vorhanden sein.“

Größter Ermittler-Fehler? Fünf Jahre nach Rebeccas Verschwinden tauchten brisante Polizei-Mails auf (1)

Staatsanwaltschaft und Google reagieren zurückhaltend im Fall Rebecca aus Berlin

Die Staatsanwaltschaft Berlin reagierte auf unsere zahlreichen Fragen mit der bekannten Zurückhaltung. „Zum Schutze der laufenden Ermittlungen werden dazu derzeit keine Informationen herausgegeben“, heißt es von der Pressestelle. Was genau dabei gefährdet werden soll, bleibt unklar. Den Verdacht Dirk B.’s, zu lange mit der Anfrage bei Google gewartet zu haben, kann oder will man in Berlin offenbar nicht einfach so vom Tisch fegen. Das ist mindestens bemerkenswert.

Immerhin erfährt man von der Staatsanwaltschaft, dass die Dauer bei Antworten von Google schwankend sein könne. „Dies ist von Fall zu Fall, Dringlichkeit und [...] weiteren Verpflichtungen, die Google einging – bspw. in der Zusammenarbeit mit dem Nationales Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder –, abhängig.“

Wir fragten auch beim Internetriesen nach. Doch Google erklärte 2024 auf Anfrage: „Wir können uns zu laufenden Ermittlungsverfahren gegen Dritte nicht äußern.“ Auf allgemeine Nachfragen antwortete der Konzern dann überhaupt nicht mehr.

Festzuhalten bleibt, dass für den Verdächtigen Florian S. weiter die Unschuldsvermutung gilt. Unter den Ermittlern glaubt wohl kaum noch einer an das Auffinden Rebeccas. Vielmehr dürften sich die Ermittlungen trotz erneut weit über 100 Hinweisen im vergangenen Jahr im Sande verlaufen, wie man im Hintergrund erfährt. (mke)

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